Rede Prof. Dr. Florian Hufnagl zur Werkschau unter dem Wetterstein
Rede zur Ausstellungseröffnung „Karen Müller – Werkschau unter dem Wetterstein“
Samstag, 10.09.2011. 10 Uhr
Prof. Dr. Florian Hufnagl, Leitender Sammlungsdirektor, Die Neue Sammlung – The International Design Museum Munich
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Karen Müller,
Karen Müller ist eine ungewöhnliche Frau, in jeder Hinsicht, als Person wie auch als Künstlerin. Dies wurde mir heuer im Frühjahr bewusst, als ich für einen Werkstattbesuch hierherkam. Denn ich kannte zwar natürlich ihre Arbeiten, denn unser Haus hat seit den 80er Jahren eine Reihe von Arbeiten in die Sammlungen aufgenommen und ihr auch eine Ausstellung in unserem Internationalen Keramik-Museum gewidmet. Aber – und dies war der Grund für meinen Besuch – ich wollte einen Überblick über das Gesamtschaffen und, wenn Sie so gestatten, auch einen Blick hinter die Kulissen, gleichsam derrière les fagots haben. Und ich war überrascht von dem, was ich vorfand.
Denn meistens ist es ja so, dass bei Künstlern immer nur die aktuellen Arbeiten zu finden sind, denn – und dies ist auch ganz natürlich – im Zentrum des Interesses eines Künstlers steht immer die augenblickliche Tätigkeit, und der Blick ist nach vorwärts gerichtet auf das, was man unbedingt noch machen will.
Das ist bei Karen Müller nicht anders. Und schließlich werden die Arbeiten ja auch verkauft. Und genau das bereitet jedem Museumsmann Schwierigkeiten, wenn man nicht früh auf einen Künstler aufmerksam geworden ist und diesen dann kontinuierlich über die Jahre hinweg in seinem Schaffen begleitet, wenn, ja wenn man von der Qualität der Arbeiten überzeugt ist.
Nur, bei Karen Müller fand ich eine ganz Reihe von Arbeiten auch aus früheren Zeiten vor, und dies nach einer fast dreißigjährigen erfolgreichen Karriere als Keramikerin und Bildhauerin mit Auszeichnungen in Deutschland, Europa, den USA und Japan, und mit entsprechenden Ankäufen von Sammlern und Museen – eigentlich in der ganzen Welt. Es gibt kein namhaftes Museum in Europa, das nicht herausragende Arbeiten von ihr besitzt. Und wenn ein Schwerpunkt in Frankreich liegt, so dürfte dies ihrem zweiten Atelier in Nointel bei Paris geschuldet sein. Ungewöhnlich genug für eine deutsche Keramikerin und Bildhauerin ihrer Generation.
Dies gelang vor ihr nur einer Frau, der Österreicherin Lucie Gomperz, die seit 1938 nach ihrer Emigration in London als Lucie Rie zu Grenzen überschreitendem Ruhm als Keramikkünstlerin gelangte.
Und Lucie Rie war es auch, die die immerhin schon über dreißigjährige Karen Müller auf den Weg zur Keramikerin brachte, nachdem sie bis dahin als freie Fotokünstlerin und Mitarbeiterin ihres Mannes, des Gold- und Silberschmiedes Frank Müller, tätig gewesen war. Und es ist heuer genau 30 Jahre, dass sie sich hier in Elmau mit ihrer Keramikwerkstatt selbstständig machte. Bereits drei Jahre später erhielt sie für ihre Arbeiten den Bayerischen Staatspreis, 1984 den des Landes Hessen; es folgten die schon erwähnten internationalen Ehrungen.
Und trotz all dem fand ich hier, an diesem Ort, eine Fülle von Arbeiten vor, die jedem Museum zu Ehre gereichen würden. Das ist nur möglich, dank einem offenbar überbordenden Ideenreichtum und unermüdlichen Tatendrang, und all dies in großer Vielfalt und Unterschiedlichkeit, und zwar sowohl im Bereich der Gefäße wie auch in bildnerischen Arbeiten.
Es gab Gefäße, die in ihrer Dimension und Bearbeitung das mir aus Publikationen und Ausstellungen Bekannte noch übertrafen. Es gibt Figurengruppen von höchster Qualität und Ausdruckskraft, die imstande sind, einen ganzen Raum zu beherrschen, und dies alles dicht an dicht in einem Atelierhaus, in dem natürlich auch immer noch an Neuem gearbeitet wird.
Darüber war ich erstaunt, und das artikulierte ich auch, und das war wohl der Auslöser für die heutige Ausstellung, denn wenige Wochen nach meinem Besuch schrieb mich Karen Müller an und fragte mich, was ich von der Idee hielte, eine Einladung zu einer Werkschau hier in Elmau zu machen.
Nun, wie Sie sehen – und dazwischen gab es noch eine Reihe von Gesprächen mit Kollegen und Sammlern – fanden wir die Überlegung alle gut, denn wenn das, was hier zu finden ist, schon einen hartgesottenen Museumsmann überrascht, dann müsste, sollte oder könnte dies doch auch für Kunstinteressierte von Interesse sein: einmal an jenen Ort zu kommen, dort zu schauen – und natürlich auch zu kaufen! –, wo all die Dinge entstanden, die Karen Müller in den vergangenen 30 Jahren geschaffen hat und von denen so manches noch zu haben ist, zur eigenen Freude, die man aber mit anderen teilen kann, damit nicht zuletzt Platz ist für das Neue, das Karen Müller noch vorhat zu tun.
Ob das gelingt, wird sich zeigen. Und ich bin gespannt, ob ich nicht eines Tages das eine oder andere Werk, das ich im tiefverschneiten Elmau in diesem Frühjahr zum ersten Mal gesehen habe, in dieser oder jener Privatsammlung oder im Museum des einen oder anderen Kollegen wiederfinden werde.
Dies wünsche ich uns, und nicht zuletzt Frau Karen Müller. Ich danke Ihnen.